Gemeinsam trauern unterm Wunschbaum
Unser Wochenende ist ein Angebot für alle Familien, die ein Kind durch die Krebserkrankung oder eine andere schwere Krankheit verloren haben. Dieser schweren Verlust verbindet alle Teilnehmer tragen, er bildet das unsichtbare Band zwischen allen Familien.
Den Rahmen bildet immer ein kurzweiliges Programm – diesmal mit Wanderung, Spielen und Besuch des Bergbaumuseums in Oelsnitz/Erzgebirge. Der Schwerpunkt liegt jedoch bei der aktiven Bewältigung der Trauer, der Entwicklung von Perspektiven und der gegenseitigen Stärkung. Wo die Familien sich im heimischen Umfeld oft unverstanden fühlen und mit Scheu und Berührungsängsten zu kämpfen haben, gibt es diese Barriere hier nicht. Gleiche Betroffenheit bildet die Grundlage, sich auf Augenhöhe zu begegnen, auch schwierige Themen offen miteinander zu besprechen und auch Sprachlosigkeit und Kummer auszuhalten.
Unsere Gruppe mischt sich aus Familien, bei denen Erkranken und Versterben der Kinder schon einige Jahre zurückliegen bis hin zu Familien, die ihre Kinder erst im Laufe des aktuellen Jahres verloren haben. Um als Familie zum ersten Mal an einem Verwaiste-Eltern-Wochenende teil zu nehmen, erfordert es viel Mut. Viele Familien berichten, dass sie mit einem mulmigen Gefühl anreisen und sehr unsicher sind, ob die Teilnahme für sie passend und erträglich ist. Die größte Herausforderung und doch die wichtigste Grundlage für das nachfolgende Wochenende bildet die Kennenlernrunde am Freitagabend am Lagerfeuer. Alle Teilnehmer werden eingeladen die eigene Familie vorzustellen und auch vom verstorbenen Kind zu erzählen. Wem es zu schwer fällt, in der großen Runde zu sprechen, oder wem die Worte fehlen, der kann einfach dabei sein und zuhören. Die Anspannung ist spürbar, das lodernde Feuer bildet einen guten Fokus und der Blick in die Glut sorgt für Ablenkung. Und so schwer es ist zu sprechen, so positiv sind doch auch jedes Jahr die Rückmeldungen, dass mit einer solchen Runde das Wochenende, der Gesprächsfluss und das Knüpfen neuer Kontakte eröffnet wird. Die Schicksale der anderen sind schwer zu ertragen, doch es ist tröstlich, sich selbst in den Themen und Erlebnissen der anderen wiederzufinden. Der Druck, schnell die Trauer bewältigen zu müssen und wieder alltagskonform zu funktionieren, wird genommen, wenn auch andere berichten, dass sie noch nach Jahren täglich den Friedhof besuchen oder mit dem Schicksal hadern. Dass der Verlust eines Kindes das Weltbild und das Grundvertrauen erschüttert, scheint jedem nachvollziehbar. Was aber die Konsequenz dessen ist, ist für Außenstehende nicht einsehbar. Eine gute Inspiration bilden dann die Erzählungen von Familien, die ihre Wege zur Veränderung, Selbstverwirklichung und neuen Ausrichtung des Lebens bereits gefunden haben.
Aufgabe der Sonnenstrahl-Mitarbeiter ist es dabei, in schwierigen Situationen die Moderation zu übernehmen, immer wieder Impulse zu Bewältigung, Ablenkung und Erleichterung einzubringen, für Einzelgespräche bereit und greifbar zu sein und aufgeräumt mit einer stärkenden Portion Optimismus durch das Wochenende zu führen.
Ein wesentlicher gemeinsamer Moment an diesen zwei Tagen ist das gemeinsame Trauerritual. In diesem Jahr stellten wir uns um eine schöne Trauerweide am Rande des Geländes auf. Remo Kamm erzählte eine kurze Geschichte, in der ein alter Baum und eine Eintagsfliege über die Länge des Lebens sinnieren und letztendlich zu dem Schluss kommen, dass sie mit gleich viel Intensität leben, die Zeit nur verschieden zählen. Anschließend konnten, angelehnt an ein in vielen Kulturen übliches Wunschbaumritual, alle Familien aus einem Korb mit bunten Bändern passende auswählen und an dem Baum befestigen. Dabei schickten sie Gedanken, Wünsche, Erinnerungen an das verstorbene Kind. Das Klimpern einer Kalimba begleitete das Ritual und all konnten solange ihren Gedanken nachhängen, wie sie mochten. Die Bänder blieben im Baum hängen und schmücken ihn solange, bis sie von Wind und Wetter davon getragen werden.
Was von außen wie ein buntes Familienwochenende wirkt, ist für die Betroffenen nicht nur ein Stärkungs- und Erholungsangebot, sondern vielmehr auch ein Stück harte Arbeit auf dem Weg einen passenden Umgang mit der Trauer zu finden. Uns melden auch die neuen Teilnehmer erschöpft zurück, dass sie sich freuen neue Kontakte geknüpft zu haben und gern im nächsten Jahr wieder mitkommen.
Vielen herzlichen Dank, dass wir das Angebot aus Mitteln der Selbsthilfeförderung der AOK PLUS und Spendengeldern an die Stiftung Hochschulmedizin Dresden finanzieren können.