Runde um Runde mit Europas schnellstem Beamten
Ein strahlend blauer Himmel steht über dem Asphalt des Lausitzrings am 21. Juli 2018. Es ist Samstagmorgen kurz nach acht und es geht ruhig zu. Noch sind keine Autos auf der Strecke, nur in drei Boxen herrscht Betrieb. Sie sind belegt von Renn-Teams, die Event-Fahrten anbieten. Normalerweise passiert dies gegen Geld, doch die Mannschaft in Box 16 ist nicht deswegen so früh auf den Beinen. Sie ist da, um krebskranken Kindern und ihren Familien eine Freude zu machen – einfach so.
Seit 2012 dreht das „Nascar-hilft“-Team um den ehemaligen Rennfahrer Jan Wätzig regelmäßig mit Familien des Sonnenstrahl e. V. Dresden Renntaxi-Runden auf dem Lausitzring. Bescheiden sagt er: „Ich habe einen sicheren Job, ein Haus, eine Familie mit zwei gesunden Kindern. Es geht mir gut. Also muss ich auch mal etwas für die anderen tun.“ Natürlich geht dies nicht ohne in gutes, eingespieltes Team, das aus ehemaligen Wegbegleitern seiner aktiven Rennfahrerzeit besteht.
Heute ist er ein bisschen aufgeregt. Chefmechaniker Thoralf kann nicht da sein und Jan hofft, dass die neue linke Antriebswelle einwandfrei funktioniert. Beim letzten Mal war sie nach der 3. Fahrt gerissen. „Ich versuche immer, das Auto über den Tag zu bringen. Was nützt es mir, wenn ich gleich am Anfang alles raushole und mit dem Wagen etwas passiert. Dann kann ich die letzten Familien nicht mehr mitnehmen“, erklärt er. Nach und nach trudeln die Familien dann auch ein. Nicht nur die ehemaligen jungen Patienten können sich als Beifahrer den Adrenalin-Kick holen, sondern auch ihre Eltern und Geschwister. Gleichzeitig müssen sie beweisen, dass sie Vertrauen haben in Jans Fahrkünste.
Das Team begrüßt sie herzlich, lädt sie gleich dazu ein, sich das Auto aus der Nähe anzusehen und auch einmal auf den Fahrersitz zu klettern. Einfach ist das ja nicht, denn das Innere hat so gar nichts vom Komfort eines normalen Autos. Es ist ein V8-Star, ein Tourenwagen mit Seltenheitswert. Es gibt nur noch 13 von ihm. Dieser hier hat eine BMW-Karosserie. Er wird geprüft, gewienert, bewundert. Bei allem herrscht eine entspannte Atmosphäre. Auf dem Tisch nebenan stehen mittlerweile sogar Kaffee und ein Kuchen von Tante Kerstin. Es ist familiär und gemütlich in Box 16. Man möchte gar nicht wieder gehen.
Dann endlich wird „Celina“ – der V8-Star ist nämlich eine SIE – aus der Box geschoben, mit Bremskeilen gesichert und angelassen. Jan lässt den Motor eine Weile laufen, tritt ein paar Mal durch. Die Antriebswelle hält. Alles läuft perfekt.
Nun muss es ein bisschen zügig gehen. Die Beifahrer müssen sich bereithalten, damit die Wechsel schnell vonstattengeht, denn der Motor kann zwischendrin nicht immer ausgemacht und wieder angelassen werden. Als die Ampel auf Grün umschaltet, verlässt Celina mit dem ersten Fahrgast ruckelnd die Box, beschleunigt und ist schon hinter der ersten linken Kurve verschwunden. Die Zuschauer wechseln rüber auf die Zuschauerplattform und warten – das Handy im Kameramodus – während Jan auf der Strecke Kurve um Kurve nimmt, die Hand alle paar Sekunden am Schalthebel. Laut poltert er heran, man hört ihn bereits weit vor dem Sichtkontakt. Dann rast er an den Zuschauern vorbei. Das tosende Geräusch des Motors zerschneidet die Luft. Und noch eine Runde!
Nach neun Runden mit drei begeisterten Beifahrern steht Celina wieder in der Box. Der erste Zeit-Slot für das Nascar-hilft-Team ist um. Jetzt fahren zahlreiche Hobby-Rennfahrer auf die Strecke, um sich von Maik Richter trainieren zu lassen. Er ist der Chef von „Event-Fahrtrainings“ und auch derjenige, der die Streckennutzungskosten für das Nascar-hilft-Team übernimmt. Er ist begeistert vom Engagement und dem Herzblut, das die Crew in diese gute Sache steckt und kommt schon immer mal von nebenan rüber, um zu schauen, was Sache ist.
Während Jan noch geschafft am Boden sitzt – Rennwagen fahren kostet jede Menge Kraft – ruft es aus der Box: “Wir haben ein Bremsplatten!“. Nico hat die Reifen geprüft und offensichtlich haben die Räder bei den ersten Fahrten einige Mal blockiert, sodass sie jetzt gefährlich dünne Stellen haben. Der komplette Satz wird gewechselt. „Das sind jetzt 2.000 Euro, die wir hier gerade abtransportieren“, meint Jan.
Es ist kein preiswertes Hobby, zumal das Team noch ein weiteres und in dem Fall namensgebendes Auto hat, ein sogenanntes NASCAR. Lange Zeit fuhr Jan, der hauptberuflich Justizvollzugsbeamter ist, nebenbei LKW, um zusätzlich Geld für sein Renntaxi-Angebot zu verdienen. Europas schnellster Beamter steuerte einen 40-Tonner-Kühlzug im internationalen Fernverkehr. Doch mit dem LKW-Fahren ist nun Schluss, denn auch seine Familie möchte Zeit mit ihm verbringen. Daher sind er und sein Team noch mehr auf Sponsoren angewiesen. Er hat bereits einige Unterstützer, hauptsächlich im Erzgebirge und im Vogtland. Ob das auf Dauer reicht, um das Projekt am Leben zu halten, wird sich zeigen. Die gute Laune lassen sich die Jungs und Mädels in den roten Shirts jedenfalls nicht verderben. Sie starten nach etwa einer Stunde mit den nächsten Fahrgästen, drehen Runde um Runde und der blaue Himmel strahlt noch ein Stück mehr.
Fotos: DAVEs BIG Pictures (David Jungen)